Eisenbahnenthusiasten versuchen, die kleine Feldbahn in Bad Bramstedt flott zu machen

Mit bloßen Händen zerrt Andreas Knopf die schweren Eisenbahnschwellen aus dem Moorboden.
Er sucht Förderer, um die Moorbahn wieder in Fahrt zu bringen
Foto: Wolfgang Klietz

Eine Eisenbahn ist kein Ort für Feinmotoriker und Filigrantechniker. Wenn Andreas Knopf mit dem Vorschlaghammer ausholt und mit aller Kraft auf die Schwellen eindrischt, zieht eine Schockwelle durchs Moor. Dann schnappt sich der überaus stämmig konstruierte Zwei-Meter-Mann ein mannshohes Brecheisen, setzt es unter den Schienen an und trennt sie von der just zu Klump geprügelten Schwelle. Woanders dürfen nur Maschinen derartige Arbeiten erledigen. Hier im Moor sind die Arbeitsschutzvorschriften interpretationsfähig. Hier müssen Männer ran, die mit der Energie eines Güterzugs zu Werke gehen und auch schon mal Schienen richten können, die sich im Morast verzogen haben.

Andreas Knopf und sein Kumpel Torsten Kruschinski ziehen jedes zweite Wochenende ins Moor südlich des Bramstedter Klinikums und versuchen, die kleinste Eisenbahn der Region wieder flott zu machen. Nässe und Alter haben den Schwellen zugesetzt. Die Strecke der 600-Millimeter-Spur-Bahn quer durch die mit Zäunen gesicherte Torf- und Heidelandschaft hat schon lange keine Loks und Wagen getragen. Spätestens in der ersten, lang gestreckten Kurve hinter dem Bahnschuppen hätte die tonnenschwere Lok die maroden Gleise auseinander gerissen und wäre schlimmstenfalls auf den butterweichen Moorboden gestürzt.

Nässe und Alter haben den Schwellen erheblich zugesetzt

"Wir haben den Betrieb aus Sicherheitsgründen eingestellt", sagt Knopf, bevor er zur Zahnstangenwinde greift, die wie ein Wagenheber unter die Schienen geschoben wird. Knopf kurbelt, die Strecke hebt sich. Noch vor zwei Jahren hatte der bärtige Hüne entnervt aufgegeben. Kein Geld, keine Helfer, keine Zeit und irgendwann auch keine Lust mehr - die Moorbahn, die offiziell Kurbahn heißt, hatte ihn fast zur Verzweiflung getrieben. Er verrammelte den Schuppen, schloss das schwere Tor und ging.

Dabei waren die Jahre zuvor halbwegs erfolgreich gelaufen. Die Bahn drehte ihre Runden. Große und kleine Eisenbahnfreunde ließen sich durchs Moor chauffieren, aus dem das Klinikum noch heute - allerdings per Lkw - seinen Torf holt und schlammige heiße Bäder für Rheumakranke anrührt. Die Bahn bot die einzige Möglichkeit, das Gelände ohne Gefahr zu besuchen. Wer sich hier nicht auskennt und zu Fuß unterwegs ist, muss damit rechnen, in etwa 1000 Jahren gut konserviert in einem Museum als viel bestaunte Moorleiche wieder aufzutauchen. Auch entlang der Bahnstrecke stehen unübersehbar die Schilder: "Vorsicht! Lebensgefahr!"

Doch nach vielen Fahrtagen mit Kaffee, Kuchen und Gegrilltem ging es langsam bergab. Am Fahren hatten alle Vereinsmitglieder Spaß, doch die Knüppelarbeit blieb weitgehend an Knopf hängen. Das wurmt ihn noch heute. "Da gibt es viele Leute, die nur reden, aber nicht anpacken wollen", sagt der Mann, der mit Stolz denselben Nachnamen wie sein berühmter Kollege Jim Knopf trägt und der seinen Lebensunterhalt damit verdient, Feldbahnen in ganz Deutschland in Schuss zu halten.

Doch los ließ die Moorbahn den Lübecker nie. Vier Loks, 180 Wagen und eine mehr als ein Kilometer lange Strecke durch ein kleines Naturparadies - diese Kombination war zu reizvoll, um die Minibahn vor sich hin rotten zu lassen. Knopf trommelte im Winter den Vorstand des inzwischen auf neun Mitglieder geschrumpften Vereins zusammen und schaffte es tatsächlich, eine kleine Truppe für die Reanimation der Moorbahn motivieren. Knopf hatte über eine schlichte Frage abstimmen lassen: "Weitermachen oder aufhören?"

"Wir fangen wieder bei Null an", sagt Knopf. Ein Abstellgleis haben er und Kruschinski bereits komplett saniert. Doch bis die Strecke durchs Moor wieder befahrbar ist, werden noch viele Schläge mit dem Vorschlagshammer durchs Moor knallen. Frühestens im Herbst ist die Moorbahn wieder startklar.

Knopf und Kruschinski haben den Wiederaufbau penibel vorbereitet. Auch an den Fall, dass sie im Morast mit ihren schweren Geräten nicht weiterkommen, haben sie gedacht. Testweise haben die Männer einen ausgemusterten dreiachsigen Truppentransporter der britischen Armee eingesetzt, der auch dort ankommt, wo nach langen Regenfällen die Moorbahn stoppen muss. Doch der gewaltige Armeebolide, der jeden Endzeitfilm Dramatik verleihen würde, erwies sich als zu sperrig für das sensible Moor. Er wurde wieder abgezogen.

Um die Bahn auf Dauer zwischen Matsch und Birken kreisen zu lassen, brauchen Knopf und seine Männer allerdings mehr als Muckis und Diesel. Ohne Geld sieht es auf der Strecke bald wieder so aus wie an einem normalen Streiktag bei der Deutschen Bahn - himmlisch ruhig. 2200 Euro wären für neue Schwellen fällig, die imprägniert sein müssen, damit sie Frost und Morast auf Dauer standhalten. Auch Loks und Personenwagen stünden eine Runderneuerung gut zu Gesicht.

Doch woher die Kohle für die Dieselloks kommen soll, weiß Knopf noch nicht. Das Klinikum, der das Gelände gehört, winkt ab. Das Moor, das in der Wanne landet, wird per Lastwagen transportiert. Zwar erinnert man sich gern an die Zeiten, als die Bahn noch die Pampe heranschaffte, doch in Zeiten von Kostendämpfungsgesetzen im Gesundheitswesen will sich die Geschäftsführung keine Kosten für ein nostalgisches Freizeitvergnügen aufhalsen.

Die Kommune wird einen Antrag auf Fördergeld nicht stellen

Reichlich Geld wäre bei der Aktivregion Holsteiner Auenland für ein attraktives Konzept zu holen. Bereits im Jahr vergangenen Jahres hatte der Beirat Fördermöglichkeiten geprüft und war auf die für Feldbahner sagenhaft anmutende Summe von 50 000 Euro gekommen. "Die Sache hat allerdings einen Haken", sagt Hans-Jürgen Kütbach, Beiratsvorsitzender und Bürgermeister von Bad Bramstedt in Personalunion. Zuschüsse gibt es nur, wenn der Antragsteller selbst einen ansehnlichen Eigenanteil drauflegt. Stellt eine Firma oder ein Bürger einen Antrag, beträgt der Fördersatz für ein Projekt 20 Prozent. Mischt die Kommune mit, sind es sogar 50 Prozent, die bei der Europäischen Union locker gemacht werden können. Doch die Kommune wird den Antrag nicht stellen. "Bad Bramstedt hat kein Geld", sagt Kütbach.

Knopf fühlt sich allein gelassen und donnert mit einem gekonnten Schlag einen zehn Zentimeter langen Nagel in die neue Schwelle, um die Schiene zu fixieren. Woody erschrickt sich schon lange nicht mehr, wenn es im Moor knallt. "Das ist ein Bahnhofshund", sagt Knopf. Doch auf dem Wagen fährt er lieber nicht mit.

Erschienen im Hamburger Abendblatt / Norderstedt Zeitung

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